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Aktuelles

Über die Gefahren der unsozialen Medien

Dominik Kuhn (Dodokay) zu Gast im Kulturprogramm der Reutlinger Vesperkirche – Gespräch mit Asyldiakonin Anna Sonnemann (in Vertretung von Dr. Joachim Rückle)

Wie wir der Beeinflussung von Facebook, Instagram, Tiktok, WhatsApp, X und Co. entkommen können? „Abschalten“ sagte Dominik Kuhn völlig eindeutig am Donnerstagabend beim Kulturprogramm der Reutlinger Vesperkirche. Kuhn, alias Dodokay, einmal nicht als Reutlinger Comedian, sondern als Fachmann in Sachen „unsoziale Medien“. Er kennt sich damit aus, weil er zum einen eine Film- und Medienfirma besitzt, viele Jahre lang Werbung produziert hat und zudem an der Uni Tübingen über Medienproduktion doziert.

Damit nicht genug: Der Reutlinger Dominik Kuhn hatte schon 1992 sein erstes Handy: „Des war en Mordsklotz“, sagte er. Als er dann 1994 zum ersten Mal eine SMS bekam, „dachte ich mir, jetzt könnet die au no schreiba“. Allerdings sei ihm schon damals klar gewesen, „dass das eine riesige Belästigungsmaschine werden kann“. Ab und zu blitzte im Gespräch mit der Asyldiakonin Anna Sonnemann der schwäbische Comedians durch. Doch der Abend war alles andere als heiter – zu mahnend und warnend kamen die Botschaften von Kuhn: „Wenn Sie einem 15jährigen zum ersten Mal ein Handy in die Hand drücken, ist das nichts anderes, als gäben Sie ihm den Schlüssel zum Schrank mit den harten Alkohol-Sachen.“

Warum? Die Likes auf Tiktok, Insta, Facebook machen süchtig, sagte Kuhn, der seine Aussagen mit vielen Zahlen und Beispielen hinterlegte. So hätten sich in den vergangenen Jahren die Eingangszahlen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Tübingen vervierfacht. In Deutschland seien 800 000 Menschen Internetsüchtig.

Die „Likes“, die man in den unsozialen Medien erhält, würden eine Dopaminausschüttung im Gehirn auslösen. Und diese Ausschüttung mache süchtig – wie Heroin oder Alkohol. „Als die Firmen den Like-Button erfunden haben, wussten sie genau, das wirkt wie Rauchen und Saufen.“

Schwere Kost, die Dominik Kuhn da am Donnerstagabend verkündete. Zwischendurch gab’s Klezmer-Musik zur Entspannung von Judith Weber und Andreas Eisenhart. Doch der Medienfachmann hatte noch mehr Bedenkliches dabei: „Daten sind heute wertvoller als Erdöl.“ Und die Weltmeister im Datensammeln sind solche Internetkonzerne wie Amazon, Meta (mit Facebook, Instagram, Youtube) und Alphabet (mit der Google-Suchmaschine). Wer sage, dass ihr oder ihm die Datensammelei egal ist, er oder sie habe doch nichts zu verbergen – dann wäre die personalisierte Werbung vielleicht noch das kleinste Problem.

Via X, Insta, Tiktok und so weiter würden schließlich auch politische Botschaften versandt, sagte Kuhn. Und diese Botschaften wirken. „Wenn jemand will, dass möglichst viele User rechts wählen, dann werden bei ständiger Wiederholung der immer gleichen Informationen viele Menschen rechts wählen“, so Kuhn.

„Trump ist ein Dödel, ohne die sozialen Medien wäre er nie Präsident geworden.“ Mehr als ein Million Anzeigen habe Donald Trump bei seinem ersten Wahlkampf über Twitter und Co. rausgehauen, seine Konkurrentin Hillary Clinton „nur“ 60 000. Gerade auch im Hinblick auf die Künstliche Intelligenz, auf KI, prophezeite der Medien- und Filmproduzent: „Das wird alles noch viel schlimmer werden – das ist gruselig.“

Gefahren drohen aber auch in Deutschland: In den sozialen Medien sei die AfD am meisten präsent, eine beängstigende Nachricht? Sehr wohl: Die AfD wolle mit ihrem Populismus und ihren Unwahrheiten „einfach immer weiter Bullshit raushauen“. Ob es immer mehr Dumme gebe, die auf den sozialen Medien diese Nachrichten teilen? „Nein, aber die Dummen haben jetzt eine Plattform“, so Kuhn. Früher seien sie in den Hinterzimmern der Kneipen gesessen, jetzt hätten sie die Möglichkeit ihre verschwurbelten Meinungen in die weite Welt rauszuhauen. Eben, weil sie viele Likes und gleichgeartete Kommentare erhalten, „denken die dabei, sie sind der Mainstream“, sagte Dominik Kuh.

 

INFO:

Warum nutzen Menschen Facebook, Instagram, Tiktok und Co?

Warum nutzen Milliarden Menschen X, WhatsApp, Insta und Co? Die Antwort von Dominik Kuhn am Donnerstagabend in der Vesperkirche war eindeutig: Weil die Likes, die man erhält, beim Menschen Dopamin ausschüttet. „Wir wollen von anderen Menschen anerkannt werden.“ Das gehe zurück auf die frühesten Zeiten des Menschen, im Zwischenhirn (Diencephalon) seien seitdem Urreize angelegt. Ohne die Anerkennung von Anderen wären Menschen in der Steinzeit (oder auch später) nicht überlebensfähig gewesen. Nun gebe es zwar im Gehirn auch den Cortex, „das ist der Lappen außen rum, da sitzen Intelligenz und Reflexionsvermögen“, so Kuhn. „Aber das Diencephalon ist viel, viel stärker.“ Und das Zwischenhirn werde mit den „sozialen Medien“ ganz besonders angesprochen.

Immerhin: Nach den Worten der Asyldiakonin Anna Sonnemann gebe es eine Beratungsstelle im Fall von Hatespeech, also von Hass- und Drohkommentaren. Wer davon betroffen sei, könne auf der Website www.hateaid.org Hilfe finden.

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